Rückenschmerzen kennt fast jeder, und meist liegen keine spezifischen Veränderungen der Wirbelsäule zugrunde. Dennoch ist der diagnostische Aufwand hoch und auch therapeutisch liegt Einiges im Argen. Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit, die häufig schon früh im Leben ihren Lauf nimmt. Einer EMNID-Umfrage aus 2004 zufolge hatten bereits zwei Drittel der Bevölkerung über 14 Jahre Erfahrungen damit sammeln müssen. Die meisten von uns führen Rückenschmerzen mindestens einmal im Leben zum Arzt. Damit sind sie einer der häufigsten Gründe für Arztbesuche und Arbeitsfehlzeiten. Erst mal röntgenWer mit Kreuzweh beim Arzt landet, findet sich meist schnell im Röntgenraum wieder, auch Magnetresonanzuntersuchungen (MRT) und Computertomografien (CT) erfreuen sich großer Beliebtheit – und dies obwohl Leitlinien darauf hinweisen, dass diese Prozeduren
meist nutzlos sind, da die meisten Patienten unspezifische Beschwerden haben, die häufig selbstlimitierend sind. Lediglich bei Vorliegen von „red-flag“-Symptomen, Hinweis auf Tumorerkrankungen oder
therapieresistenten unklaren Befunden ist die Bildgebung gerechtfertigt. Mehr MRT’s – mehr OperationenEine der Folgen der immer häufiger durchgeführten MRT-Untersuchungen ist die gleichzeitig steigende Anzahl von Operationen, die Besserung leider nicht garantieren. Ist entsprechende Diagnostik verfügbar wird sie offenbar auch genutzt, berichteten unlängst Jaqueline Baras und Laurence Baker der Stanford University im Journal Health Affairs. Sie untersuchten die Häufigkeit von MRT-Untersuchungen bei Rückenschmerzpatienten und ihr Verhältnis zur Verfügbarkeit dieser Untersuchung. Bei 15,6 Prozent von 660 Episoden unterer Rückenschmerzen war eine MRT durchgeführt worden. 2,7 Prozent davon landeten innerhalb eines Jahres auf dem OP-Tisch. Dabei war die Häufigkeit der diagnostischen MRT von der Verfügbarkeit der Geräte abhängig.Röntgen- und CT: Strahlung mit FolgenEin weiterer Aspekt der Überdiagnostik durch unnötige CT-Untersuchungen ist die erhöhte Strahlenexposition. Das strahlungsintensive Verfahren erhöht insbesondere bei
wiederholter Anwendung das Krebsrisiko. Einer Untersuchung aus dem letzten Jahr zeigt, dass viele Patienten fünf oder mehr diagnostische CT-Untersuchungen im Leben erhalten. Es gab sogar
Spitzenwerte. Manch ein Patient von den insgesamt über 31.000 untersuchten brachte es auf über 100 CTs im Leben. Sieben Prozent der Untersuchten hatten allein durch CT-Untersuchungen ein um ein bis
zwölf Prozent erhöhtes Tumorrisiko. Therapie: Aufs falsche Pferd gesetztWährend bei der Diagnostik zu häufig auf neue Technik gesetzt wird, sieht es bei der Therapie von Rückenschmerzen ganz anders aus. Zu viele Mediziner halten an alten Therapiekonzepten fest, auch wenn Leitlinien klar empfehlen, aktiven Therapien bei Rückenschmerzen den Vorzug zu geben, um eine Chronifizierung zu vermeiden, so Forscher der Universitätsklinik Heidelberg im Fachblatt DER SCHMERZ. Spritzen und Medikamente stehen demnach weiterhin hoch im Kurs. Auch Bettruhe empfinden nicht wenige Ärzte, aber vor allem auch der Großteil der Patienten, als adäquate Therapie. Dass dies ein Trugschluss ist, zeigen Wiederholungsuntersuchungen der Forscher nach einem halben Jahr. 66 Prozent der Patienten mit akuten Rückenschmerzen, die passive Therapien erhielten, entwickelten chronische Schmerzen. Über der Hälfte der Patienten mit bereits chronischen Schmerzen konnten von passiven Therapien nicht profitieren und bei 13 Prozent der chronisch Geplagten verschlechterte sich die Lage zusehends. von Dr. Julia Hofmann, 02.03.2010 |